Zurück aus Kiew
Am Wochenende über bin ich das erste Mal aus Donezk rausgekommen. Relativ spontan ging es am Donnerstag Abend nach Kiew, wo ein Seminar zu dem UN-Projekt "MyWorld" statt fand. Dabei geht es um eine Umfrage, bei der weltweit Menschen angeben sollen, was sie für die größten Gefahren für ihre Zukunft halten, ausgewählt werden kann zwischen Umweltzerstörung, Menschenrechten, Energie- und Wasserversorgung und vielen mehr. Hierfür müssen auch in der Ukraine 30.000 Stimmen gesammelt werden.
Dass ausgerechnet mein estnischer Kollege Gustav und ich dorthin mussten, lag vor allem an akutem Personalmangel bei uns im Büro, da unsere Chefin Anna zur Zeit in Georgien war. Die ideale Lösung war das nicht, da die Präsentation halb auf russisch und halb auf ukrainisch war, wir beide allerdings nichtmal eine dieser Sprachen gemeistert haben, auch wenn Gustavs Russischkenntnisse meine weit übersteigen. Für die Hinfahrt hatten wir Tickets für einen Expresszug, im Volksmund hier auch Hyundai genannt, bekommen. Der Zug war modern, mit W-Lan und anderem Komfort, und gänzlich ohne Lokalcolorit, obwohl wir uns beide schon auf eine ganz traditionelle Zugfahrt, die hier doch noch etwas anderes ist als zuhause, gefreut. Zumindest für die Rückfahrt hatten wir den Übernachtzug.
Nach etwa sieben Stunden Fahrt wurden wir kurz vor Mitternacht in Kiew am Passagierbahnhof von Eva, der anderen ijgd-Freiwilligen in der Ukraine, die in Kiew wohnt, abgeholt.
Am nächsten Morgen ging es dann ins Stadtzentrum zum Seminar, dass wir zwar nicht auf Anhieb, allerdings auch ohne großartig in der riesigen Stadt verloren zu gehen, fanden. Zum Glück halfen uns die anderen Teilnehmer ein wenig mit der Übersetzung des Gesprochenen, so dass wir am Ende nicht ganz ratlos waren.
Anschließend konnten wir noch den Majdan, den zentralen Platz Kiews, besuchen sowie ein wenig das Kiewer Nachtleben kennen lernen.
Die Rückfahrt war dann tatsächlich das transportmittelmäßige Highlight, 13 Stunden in einer alten sowjetischen Eisenbahn, inklusive Kohleofen zum Heizen und 80'er Jahre Teppiche in den Abteilen. In diesen Übernachtzügen gibt es zwei Klassen, Platzkart und Coupée, bei der ersten schläft man in einem nicht unterteilten Waggon mit einer großen Anzahl Mitreisender, im Coupée lediglich ein Abteil mit 3 anderen. Die Lieblingsbeschäftigung der Ukrainer und Russen beim Reisen ist natürlich: Essen. Alle Reisenden eines Abteils stapeln ihre mitgebrachten Fressalien auf dem Tischchen des Abteils bis er unter der Last beinahe zusammenbricht. Dann isst jeder bei jedem mit, dazu wird für umgerechnet etwa 10 Cent Tee gereicht.
Wenn alles aufgegessen ist, wird sich unterhalten, wobei anzumerken ist, dass das Wort Small-Talk hier völlig unbekannt ist. Ungewohnt für distanzierte Westeuropäer ist es, dass hier mit völlig Fremden ausführlich über das eigene Leben, brisante politische und wirtschaftliche Themen und Weltanschauungen geschwätzt wird.
Wenn alle vom Essen und Reden müde sind, wird (je nach Mentalität der Mitreisenden) entweder geschlafen oder die Flasche Wodka auf den Tisch gestellt.

Wer möchte, darf auch gerne selbst an der Online-Umfrage der UN teilnehmen, ist ja schließlich weltweit:
http://www.myworld2015.org/